Über 300 Bürgerinnen und Bürger folgten der Einladung der Ortsgemeinde zur Einwohnerversammlung am Mittwoch, dem 4. November 2015, um sich vorwiegend zum Thema „Unterbringung von Asylsuchenden“ zu informieren und um darüber zu diskutieren.
Ursache für das große Interesse war eine Anfrage der Verbandsgemeinde nach zwei Grundstücken im Mischgebiet des Baugebietes Brotäcker-2, die noch im Eigentum der Ortsgemeinde sind und für eine Unterbringung von Asylsuchenden geeignet wären. Je Grundstück könnten dort 10 bis 15 Personen untergebracht werden. In einer Ausschusssitzung wurde das Thema vorberaten und diese beiden Grundstücke als einzige Möglichkeit der Ortsgemeinde angesehen, Asylsuchende auf gemeindeeigenem Gelände unterzubringen. Darauf war es zu etlichen Anrufen und Nachfragen von besorgten Anliegern gekommen. Um darüber zu informieren, wurden die direkten Anlieger von der Ortsgemeinde zu einer Anliegerversammlung eingeladen, die dabei ihre Bedenken zum Ausdruck brachten.
Bevor in der Einwohnerversammlung dieses Thema behandelt wurde, gab Ortsbürgermeister Michael Detzel einen Rückblick auf die seit der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Gemeinderats am 22. Juli 2014 abgeschlossen Projekte – Fertigstellung und Inbetriebnahme der neuen Sporthalle, Sanierung der Kreuzgasse und Windener Straße, Herstellung des Glasfaseranschlusses für ein schnelles Internet -, einen Überblick über die laufenden Projekte – Endausbau des Baugebietes Brotäcker-3, Abbruch der alten Turnhalle und Herrichtung der Außenanlage, Aktualisierung der Straßenmarkierungen, Ausweitung der Tempo-30-Zonen, Austausch von Straßenschildern und informierte über weitere Aktivitäten und Initiativen, wie die Erweiterung der Kinderferienbetreuung, das Einrichten eines Bürgerbusses zum Einkaufen nach Kandel und eine Auftaktveranstaltung zu „Gemeinsam älter werden – Zuhause – in Steinweiler“. Zudem wurde zum Schuljahresbeginn an der Grundschule, aufgrund der Anzahl der eingeschulten Kinder (31!), ein Unterrichtscontainer aufgestellt, die Betreuungskapazität der betreuenden Grundschule erweitert und ein sozialpädagogisches Betreuungsangebot eingeführt.
Für das Jahr 2016 werden die Themen „Kunst am Bau“ für die neue Sporthalle, Feldwegesanierungen, die Planungen für die Erschließung eines weiteren Baugebietes – und sicher auch die „Unterbringung von Asylsuchenden“ auf der Tagesordnung stehen.
„Die derzeitige Flüchtlingskrise ist nicht annähernd vergleichbar mit den Krisen der jüngeren Vergangenheit, wie etwa die Banken- oder Griechenland-Krise, denn bei dieser Krise geht es geht es nicht vordergründig um wirtschaftliche Stabilität, sondern um flüchtende Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen wie z.B. Krieg und politischer oder religiöser Verfolgung, sicher auch aus wirtschaftlichen Gründen, ihre Heimat verlassen haben, deren Ursachen oftmals weit in der Vergangenheit liegen und im Gegensatz zu den anderen Krisen – die wir hauptsächlich durch Nachrichten oder Talkshows aus der Ferne erleben – ist diese Krise in unserem persönlichen Umfeld angekommen. Die Asylsuchenden sind für uns alle sichtbar“, so der Ortsbürgermeister.
Von den beiden anwesenden Pfarrern Wenzel und Mach, berichtete der seit dem 1. September für Steinweiler zuständige katholische Ortsgeistliche und gebürtiger Pole, Stanislaus Mach, wie er sich von 25 Jahren nach Deutschland aufgemacht hat, seine Familie und Freunde verlassen hat, um aufgrund eines akuten Priestermangels seelsorgerisch tätig zu werden. Er war zwar kein Flüchtling gewesen, aber auch für ihn war alles neu und fremd, er sei aber freundlich aufgenommen worden. Hinsichtlich des seit drei Wochen leer stehenden Pfarrhauses informierte der Geistliche, dass es mit der Diözese Speyer, der Verbands- und Ortsgemeinde einen Ortstermin gegeben hat. Mit der Kreisverwaltung müssen noch die Auflagen für den Brandschutz, mit dem künftigen Mieter die Modalitäten durchgesprochen werden.
Der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Kandel, Volker Poß, stellte wiederholt die dringende Notwendigkeit dar, Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Denn bereits seit zwei Jahren ist man permanent auf der Suche, um die Asylsuchenden unterzubringen. Jetzt sind wir an einem Punkt angekommen, an dem auch andere Möglichkeiten in Erwägung gezogen werden müssen.
Der Leiter des Ordnungsamtes der Verbandsgemeinde, Christian Hengen, informierte über die aktuelle Anzahl von Asylsuchenden in Rheinland-Pfalz (50.000), im Kreis Germersheim (1.550), der Verbandsgemeinde (149) und der Ortsgemeinde Steinweiler (9), mit steigender Tendenz. Ebenso informierter er über die Vielzahl an Nationalitäten (mehr als 13), die Altersstruktur (90 % unter 40 Jahren) und das Geschlecht (30 % Frauen, 70 % Männer) und die Verteilung der Asylsuchenden innerhalb der Verbandsgemeinde (Kandel: 116) und dass im nächsten Jahr mit der gleichen Anzahl gerechnet werden muss. Zudem sei die Unterbringung von Asylbewerbern keine freiwillige Leistung, denn Städte und Kommunen sind per Gesetz dazu verpflichtet.
Der Ortsbürgermeister informierte weiterhin, dass mehrere Aufrufe über das Amtsblatt als auch private Anfragen nach privatem Wohnraum kaum Resonanz ergeben hätte. Als Option verblieben nur noch öffentliche Gebäude wie das Bürgerhaus oder die neue Sporthalle. Damit käme das öffentliche Leben zum Erliegen.
In der sich anschließenden Diskussion teilten etliche Bürgerinnen und Bürger nochmals ihre Bedenken, Ängste und Sorgen mit. „Zu viele Personen an einem Standort, drohender Wertverlust der Immobilien, steigende Kriminalität, eine sich wandelnde Gesellschaft“ waren die meistgenannten Aussagen. Zudem könnten sicher auch mehr als die genannte Anzahl Personen je Grundstück untergebracht werden. Dem entgegnete der Verbandsbürgermeister, dass diese Zusage eingehalten werde. Ebenso gebe es für die Asylsuchenden ein Betreuungskonzept, bestehende Strukturen wie den Arbeitskreis Asyl, den Besuchsdienst und den Sprachunterricht oder das Bistro International, diese Strukturen sind in den beiden letzten Jahren gewachsen. Der Forderung nach „dezentraler“ Unterbringung, vorzugsweise von Familien, könne im Vorfeld nicht zugesagt werden.
Im Laufe der Diskussion überwog die Meinung der anwesenden Mitbürgerinnen und Mitbürger, weitere Asylsuchende im Dorf unterzubringen und deren Integration zu unterstützen. Etliche Bürgerinnen und Bürger sind bereits in der Flüchtlingsbetreuung engagiert. Der Ortsbürgermeister teilte die Bedenken einiger Anlieger ist jedoch zuversichtlich, dass die Integration von Asylsuchenden gelingen wird, wenn „unsere Dorfgemeinschaft diese Herausforderung offensiv und optimistisch angeht und den Asylsuchenden positiv begegnet.“ In einer ausgelegten „Unterstützungsliste“ hatten sich spontan 25 Personen eingetragen. Auch dies stimmt positiv.
Michael Detzel, Ortsbürgermeister